Zudem soll die Entwöhnung der beatmeten Patient*innen unterstützt werden, damit sie möglichst selbstbestimmt leben können. Darüber hinaus soll das Gesetz den Zugang zur Rehabilitation (Reha) für einzelne Personengruppen verbessern.
Neue Regeln für die geriatrische Rehabilitation
Der Zugang zur geriatrischen Reha soll besser und schneller werden.Verordnet ein*e Vertragsarzt*ärztin eine geriatrische Rehabilitation, muss die Krankenkasse die medizinische Erforderlichkeit künftig nicht mehr überprüfen.
Medizinische Reha-Leistungen erhalten Versicherte derzeit ambulant für längstens 20 Behandlungstage und stationär für längstens drei Wochen. Für die geriatrische Reha soll diese Behandlungszeit künftig regelhaft gelten.
Stärkung anderer Reha-Angebote
Bisher gilt, dass eine Reha grundsätzlich erst nach vier Jahren wiederholbar ist. Diese „Mindestwartezeit“ entfällt jetzt zumindest für Kinder und Jugendliche.
Empfiehlt ein*e Pflegegutachter*in eine Reha, dann müssen die Pflegekassen das künftig berücksichtigen und die Versicherten entsprechend unterstützen.
Und noch eine Veränderung kommt: Wählen Versicherte eine andere als die von der Krankenkasse zugewiesene Reha-Einrichtung, mussten sie bisher etwaige Mehrkosten komplett selbst tragen. Nun sollen sie diese nur noch hälftig bezahlen.
Mehr Hilfen für beatmete Patient*innen
Bei beatmeten Patient*innen sollen die Behandelnden künftig konsequenter prüfen, ob sie auch ohne künstliche Beatmung leben können. Die Krankenhäuser müssen deshalb künftig immer das Entwöhnungspotenzial erheben und dokumentieren: während der Behandlung, aber auch vor Verlegungen und Entlassungen. Die Prüfung ist auch nötig, bevor außerklinische Intensivpflege verordnet wird. Das Gesetz setzt den Krankenhäusern dafür finanzielle Anreize. Schätzen sie den Beatmungszustand der Patient*innen nicht ein und unterbleibt so eine Beatmungsentwöhnung, drohen Abschläge. Soll etwa ein*e beatmete*r Patient*in nach Hause entlassen und dort intensivmedizinisch weitergepflegt werden, muss dies künftig ein*e besonders qualifizierte*r Vertragsarzt*ärztin verordnen. So sollen rehabilitative Potenziale besser erkannt und verwirklicht werden.
Besonders umstritten: Die außerklinische Intensivpflege
Der SoVD hatte die Neuregelung zur außerklinischen Intensivpflege anfangs scharf kritisiert. Nach ersten Plänen des Gesundheitsministers vom Herbst 2019 sollte es Intensivpflege eigentlich nur noch in Pflegeheimen geben. Ausnahmen waren nur für Minderjährige, für „Bestandsfälle“ sowie bei absoluter „Unzumutbarkeit“ vorgesehen. Menschen etwa im Wachkoma oder mit Muskelschwund, die Beatmung brauchen, drohte damit nicht weniger als der Verlust ihres Zuhauses.
Der lange Kampf des SoVD für die Wünsche der Betrofenen
Hiergegen lief der SoVD Sturm. Auch Menschen mit hohem medizinischem Pflegebedarf haben das Recht, dort zu wohnen, wo sie möchten. Darüber darf nicht die Krankenkasse entscheiden!
Auf Druck des SoVD und anderer Verbände änderte das Bundesministerium für Gesund-heit (BMG) seine Pläne im Dezember 2019. Nun sollte außerklinische Intensivpflege auch in Einrichtungen der Behinderten-hilfe, in Intensivpflege-WGs, zu Hause und an geeigneten Orten, etwa in Schulen, möglich sein. Doch die Wünsche der Betroffenen zum Leistungsort standen unter einer Einschränkung: Der L eistungsort musste „angemessen“ und durfte damit nicht viel teurer als die Heimpflege sein. Diesen „Mehrkostenvorbehalt“ kritisierte der SoVD erneut scharf. Mehrkostenvorbehalte mögen in der (nachrangigen) Sozialhilfe vertretbar sein, nicht aber bei notwendigen Gesundheitsleistungen.
Erneut musste das BMG nachbessern. Anfang 2020 berieten Bundesrat und Bundestag einen neuen Vorschlag. Nun sollte die Intensivpflege zu Hause möglich sein, wenn die Versorgung dort „tatsächlich und dauerhaft“ sichergestellt ist. Fest hielt das Ministerium an den deutlich verschlechterten Zuzahlungsregeln für die Intensivpflege zu Hause. Während diese im Heim finanziell viel günstiger wurden, sollte die 28-Tage-Zuzahlungsgrenze bei Intensivpflege zu Hause entfallen.
SoVD bohrte kritisch weiter
Auch wenn der neue Entwurf besser war als die vorherigen: Gut war er noch immer nicht. Den Betroffenen drohte, nun selbst nach-weisen zu müssen, dass sie zu Hause gut versorgt sind. Gibt es Pflegemängel, könnte die Krankenkasse die Hilfen verweigern und Menschen weiter ins Pflegeheim drängen. In der Bundestagsanhörung forderte der SoVD daher, den Passus „tatsächliche und dauerhafte Sicherstellung“ zu streichen und die Kassen zur Sicherstellung der Intensiv-pflege zu verpflichten. Auch die verschlechterten Zuzahlungsregelungen bei der Intensivpflege zu Hause ging der SoVD an.
Gesetzgeber griff Kritik auf
Auf den letzten Metern besserte der Gesetz-geber nochmals nach und berücksichtigte die SoVD-Kritik. Nun ist klargestellt, dass berechtigten Wünschen der Betroffenen zum Leistungsort zu entsprechen ist. Bei Mängeln müssen sich Betroffene, Pflege-team und K assen an einen Tisch setzen und gemeinsam nach Lösungen suchen, Nach-besserungen sichern. Ausdrücklich stellt das Gesetz klar, dass Versicherte eine Pflege-fachkraft selbst beschaffen können, wenn die Kasse eine solche qualifizierte Kraft nicht stellen kann. Daneben bleibt Betroffenen die Möglichkeit, ihre Versorgung im Wege des Persönlichen Budgets (als „Arbeit-geber“) selbst zu organisieren. Auch die Zuzahlungsverschlechterungen wurden zurückgenommen.
Fazit des SoVD
Der SoVD hat den gesamten Gesetzgebungs-prozess eng begleitet und mitgestaltet. So gelang es, drohende Verschlechterungen für die intensivmedizinische Pflege zu Hause vertretbar „abzubiegen“. Das SoVD- Engagement war dabei unverzichtbar.